Foto: Thorsten Langenbahn, WAZ

Beim TuS Ende dient Tischtennis als „Universalsprache“. Zahlreiche Flüchtlinge trainieren seit Anfang des Jahres in Hobbygruppe mit.

Die drei Syrer stehen an der Platte, feixen und lachen. „Was hat er gesagt?“, fragt Peter Bengen (83) zwischen dem Ballwechsel – und lacht auch ohne Übersetzung mit. Es ist der kleine weiße Zelluloidball, der die Vier verbindet.

Es ist Dienstagabend, kurz nach acht Uhr: Spielzeit für die Tischtennis-Hobbygruppe des TuS Ende. Seit Anfang des Jahres gehören in der Sporthalle Am Berge in Kirchende auch mehrere Flüchtlinge zur festen Besetzung.

Neun sind es diesmal, acht aus Syrien, einer aus dem Iran. Als sie um 20.07 Uhr in die Halle kommen, packen sie sofort ihre Schläger aus, gesellen sich zu den anderen elf TuS-Spielern älteren Semesters. Schnell haben sich zwei gemischte Doppel gebildet. Ganz einfach. Ganz unkompliziert. Ohne viele Worte.

 

Mit Flyern in die Unterkünfte

Am Anfang war jedoch das Wort. Gedruckt, auf Flyern. Michael Schumacher, Tischtennis-Abteilungsleiter des TuS Ende, ging damit in die Flüchtlingsunterkünfte in Herdecke, um für seinen Sport zu werben. In vier Sprachen – Arabisch, Französisch, Englisch und Deutsch – standen darauf die wichtigsten Infos. „Ich habe die nicht selbst geschrieben. Die Vordrucke kamen vom Deutschen Tischtennis-Bund, ich musste nur noch unsere Daten ergänzen“, sagt Schumacher.

Unter dem Motto „One game. One world.“ bietet der Dachverband in seiner neuen Kampagne Hilfestellungen für seine gut 9500 Vereine an. Der direkte Kontakt zur Unterkunft lief über Armin Schulz, der sich als ehrenamtlicher Pate um die Flüchtlinge in der Albert-Schweitzer-Schule in Kirchende kümmert. „Drei haben sofort gesagt, sie wollen Tischtennis spielen“, sagt Schulz. Auch ein Tischtennis-Set mit Schlägern und mehr hat es vom DTTB gegeben.

Doch die Ausrüstung ist das geringste Problem. „An Schlägern und Bällen mangelt es hier nicht “, sagt Schumacher. „Das ist ein tolles Beispiel dafür, wie die Flüchtlinge in Bewegung gebracht werden können“, sagt Siegfried Reiz, der die Flüchtlingshilfe in Herdecke koordiniert. Die Versicherungsfrage ist geklärt, Beiträge müssen die Gäste ebenfalls nicht zahlen. „Der Verein darf bestimmen, dass sie kostenlos mittrainieren“, sagt Schumacher, während ein Flüchtling an der Platte nebenan gekonnt einen Schmetterschlag platziert.

Bei dem einen oder anderen ist Potenzial erkennbar. In der Albert-Schweitzer-Schule haben die Flüchtlinge eine eigene Platte, an der sie üben können. „Den ganzen Tag lang“, sagt Wissam Allawi und lacht. Der 24-Jährige freut sich wie seine Landsleute über die Abwechslung bei der Ender Hobbygruppe. Über seinen Asylantrag wurde bereits entschieden. Er darf in Deutschland bleiben, will demnächst in Hamburg ein Wirtschaftsstudium beginnen. „Ich bin glücklich, dass ich hier spielen kann“, sagt Shirwan Mustafa (21), der auch in seiner Heimat schon mal zum Schläger gegriffen hat.

Tischtennis als Neuland

Für Nahad Khalaf aus Syrien ist die Jagd nach dem kleinen Ball dagegen Neuland. „Es ist das erste Mal, dass er Tischtennis spielt“, übersetzt Moheddin Dakak (28) in englischer Sprache die Worte seins Landsmannes. Doch als Übersetzer ist er in der Dreifachhalle nur selten gefragt. Das Spiel erklärt sich von allein. „Tischtennis ist eine Universalsprache“, sagt Schumacher und grinst.

„Es macht einfach Spass“, sagt Helmut Adrian im schönsten Ruhrgebietsdialekt. „Die Jungs sind voll bei der Sache“, weiß der 63-Jährige aus Herdecke – und betont: „Hier geht es nicht ums Gewinnen.“ Während des Doppels versuchen die Flüchtlinge mitzuzählen, hier und da ein paar Sprachfetzen aufzuschnappen. „Wir kommen auch hierher, um Deutsch zu lernen“, sagt Shirwan Mustafa.

„In einem Jahr werden uns die Jungs eventuell in die Tasche stecken“, sagt Klaus Kurowski (63) schwitzend. Und sollte mal ein echtes Talent dabei sein? „Mit der Spielberechtigung wäre das kein großes Problem“, sagt Schumacher, als er von einem TuSler unterbrochen wird: „Ist Montag, Dienstag wegen Karneval zu? Wissen die Kollegen Bescheid?“

Quelle: WAZ online, 4.2.2016